It´s not our security!

Text unserer Gruppe zur Münchner Sicherheitskonferenz

Jedes Jahr treffen sich im Rahmen der „Münchner Sicherheitskonferenz“ im Hotel „Bayerischer Hof“ in München, hochrangige Politiker_innen, Militärs und Vertreter_innen der Rüstungsindustrie aus verschiedenen Ländern , um sich über Strategien und Konzepte der „globalen Sicherheit“ auszutauschen und zu verständigen.

Was ist mit der Verteidigung „unserer“ Sicherheit gemeint?

In Zeiten, in denen die Welt immer mehr zu verrohen droht und beinahe täglich neue Meldungen von Terrorattacken und kriegerischer Eskalation durch die Medien geistern, scheint es nur allzu verständlich, dass man sich zusammensetzt, um über eine Lösung der vielen weltweiten Konflikte zu debattieren. Wo liegt also das Problem?

Wir leben in einer Welt des globalisierten Kapitalismus, in der die mehr oder weniger erfolgreiche Teilnahme am Weltmarkt, vermittelt über die Konkurrenzfähigkeit eines Staates, über die (Über-)Lebenschancen der überwiegenden Mehrheit der in diesen Staaten lebenden Menschen entscheidet. Die kapitalistische Verwertungslogik will es so, dass die meisten von uns, um Zugang zu lebensnotwendigen und anderen Gütern zu haben, unsere eigene Arbeitskraft an einen „Arbeitgeber“, also in der Regel ein kapitalistisches Unternehmen verkaufen müssen, um dadurch in Form des Lohnes die Mittel zu erhalten, welcher es zum Kauf dieser Güter bedarf. Natürlich ist es einigen der reichsten Staaten der Welt möglich, ihren Bürger_innen – schlägt der Verkauf der eigenen Arbeitskraft einmal fehl – zumindest ein existenzsicherndes materielles Minimum zur Verfügung zu stellen. Jedoch scheint auch dies im Zuge der voranschreitenden kapitalistischen Krisenhaftigkeit immer prekärer zu werden. Ebenso werden zunehmend Menschen mit erniedrigenden Repressalien überzogen, wenn sie ihre eigene Arbeitskraft nicht zu Markte tragen können oder dies aufgrund miserabler Jobs auch gar nicht wollen.

Nun ist es so, dass die meisten Staaten in den vom Weltmarkt weitestgehend abgekoppelten und in postkolonialer Verschuldungsabhängigkeit gehaltenen Regionen unserer Erde, nicht über die nötigen materiellen Ressourcen verfügen, um ihren Bürgern diese existenzsichernden Leistungen zur Verfügung stellen können, ganz abgesehen von einer funktionierenden staatlichen Infrastruktur, den Zugang zu Bildung, Gesundheitseinrichtungen und vielem mehr. Da diese Staaten dem transnationalen Kapital, welches stets auf der Suche nach den profitabelsten Anlagemöglichkeiten ist, in der globalen „Standortkonkurrenz“ zwischen den verschiedenen Staaten nicht oder kaum hinreichende Verwertungsbedingungen bieten können, um dadurch ausreichend Devisen zur Bereitstellung staatlicher Leistungen für die eigene Bevölkerung einzunehmen, bleiben die dort lebenden Menschen immer öfter ihrem eigenen Schicksal und Elend überlassen. Dass sich in diesem Zustand absoluten Mangels an fast allem, was mensch für ein würdevolles Leben benötigt, gewalttätige Banden und Cliquen unter zutiefst irrationalen und hochgradig ideologischen religiös-fundamentalistischen, rassistischen oder nationalistischen Heilsversprechen zusammenfinden und diese Gruppen eine enorme Strahlkraft besitzen, kann da wenig verwundern. Nichts anderes als die globale kapitalistische Vergesellschaftung und das Herausfallen tendenziell immer größerer Gruppen von Menschen aus diesem universellen Verwertungszusammenhang ist es, welche den idealen Nährboden für den Terror und die Gewalt bilden, die uns heute umgibt.

Wenn also zum Beispiel im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz wieder einmal von „unserer Sicherheit“ gesprochen wird, heißt das nichts anderes, als dass es um eine Bekämpfung der Symptome geht, welche das menschenfeindliche kapitalistische System selbst stetig hervorbringt und hervorbringen muss. Im Sinne des Schutzes der kapitalistischen Zentren und der zumeist gewaltsamen Eindämmung der schlimmsten Krisenherde, geht es also um nicht weniger als die repressive Aufrechterhaltung der global wirksamen kapitalistischen Verwertungsbedingungen, weswegen insbesondere jene Regionen besondere Beachtung finden, in denen es zum Beispiel durch die Präsenz großer Unternehmen ein gewisses Maß an kapitalistischer Verwertung der dortigen Arbeitskraft aufrechtzuerhalten gilt. Doch auch unabhängig von konkreten Interessen einzelner Kapitalfraktionen geht es darum, weltweit durch punktuelle und konzertierte Eingriffe in jene Krisenherde zu intervenieren, deren Virulenz die Gefahr einer Expansion hin zu einem regionalen oder überregionalen Flächenbrand birgt und welche daher eine für die globale kapitalistische Verwertungslogik existentielle, relative Stabilität bedrohen. Dass diese Aufgabe vordergründig aber keineswegs ausschließlich den militärisch und ökonomisch mächtigsten kapitalistischen Staaten zukommt, liegt in der Natur der Sache.

Fight the game, not the players!

Bei alledem sollte man jedoch nicht vergessen, dass die auf der Sicherheitskonferenz vertretenen Personen keineswegs aus persönlicher Boshaftigkeit oder verwerflicher Moral agieren, vielmehr vertreten diese in ihrer Funktion als Repräsentant_innen verschiedener Staaten und Konzerne lediglich die spezifischen Interessen und Positionen, welche sie qua ihrer Stellung innerhalb des kapitalistischen Systems zwingend einnehmen müssen. Abgesehen von einem engen Spielraum politischer Gestaltbarkeit, ist es also stets die Struktur des kapitalistischen Systems als Ganzes und der spezifischen Stellung innerhalb dieses allumfassenden gesellschaftlichen Zusammenhanges, die bestimmt, welche Interessen und distinkten inhaltlichen Positionen, die Funktionsträger_innen von Staaten oder der Wirtschaft zu vertreten haben. Daher laufen auch persönliche Schuldzuweisungen oder Appelle an die Moral oder Ethik einer als allmächtig empfundenen politischen oder ökonomischen „Elite“ ins Leere und enden schlimmstenfalls gar in kruden Verschwörungstheorien. Mithilfe dieser werden analytisch nicht erfasste Widersprüche, die sich in der Realität systemisch aus den kapitalistischen Funktionsgesetzen selbst ergeben, verkürzt, hochgradig ideologisch und nicht zuletzt in offen oder strukturell antisemitischen Erklärungsmustern mündend, regressiv im Sinne einer böswilligen Verschwörung eines imaginierten Zirkels an „Strippenziehern“, verarbeitet und gedeutet.

In einer Zeit, in der täglich Menschen, die nach kapitalistischen Rentabilitätskriterien als Arbeitskraft nicht ausreichend verwertbar erscheinen und aufgrund rassistischer Ressentiments nicht erwünscht sind, an den europäischen Außengrenzen zugrunde gehen und auch die Staaten im Inneren des kapitalistischen Zentrums und dessen Peripherie dazu übergehen, die Menschen tendenziell immer autoritärer und repressiver zu „verwalten“ und in den zunehmend prekärer werdenden Zwangszusammenhang namens Kapitalismus einzugliedern, während zeitgleich jene mitunter aus den kapitalistischen Widersprüchen sich selbst ergebende ideologische nationalistische wie rassistische Verarbeitungs- und Deutungsmuster an Kraft gewinnen, muss es unsere Aufgabe sein, den uns beherrschenden Strukturen und Institutionen negativer Vergesellschaftung aus Staat, Nation und Kapital als Ganzes, eine klare Absage zu erteilen.

Fight Capitalism – Smash Siko!